Ein seltsames Jahr und dennoch …
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Ein seltsames Jahr erleben wir gerade: Die sozialen Kontakte werden eingeschränkt, wir schütteln – das war doch irgendwann mal allgemeiner Brauch? - keine Hände mehr und schrecken vor Umarmungen zurück. Ständig starren wir in einen Bildschirm, das Bild der Menschen, mit denen wir in Videochats kommunizieren, ist zumeist ein wenig verschwommen, die Tonqualität der Stimmen vielfach beklagenswert. Schulen werden immer wieder geschlossen, E-Learning dient nun als eine etwas unausgegorene Alternative zum Präsenzunterricht. Die Universitäten haben versucht, die traditionelle Lehre durch die so genannte „hybride Lehre“, einer Synthese von digitalem Lernen und Präsenzunterricht, zu ersetzen. Dazu mussten die Hörsäle mit teuren technischen Geräten ausgestattet werden, komplizierte Hygieneregeln wurden aufgestellt. Seit dem neuerlichen Lockdown ist aber praktisch der Großteil der Lehre an den Universitäten wieder in die Studierstuben transferiert.
Die Covid-19-Pandemie hat uns gezeigt, wo die – durchaus vorhandenen – Stärken, aber auch die doch recht gravierenden Nachteile des „Distance Learning“ liegen. Freilich lässt sich, um nur einige der Vorteile zu nennen, Lernmaterial leichter zur Verfügung stellen und manche Kommunikationsplattformen ermöglichen es auch, für Gruppen eigene kreative Lernräume einzurichten. Manchmal – dies trifft aber wohl nur auf wenige zu – kommt digitales Lernen auch dem Lerntempo von Schüler*innen und Studierenden entgegen und ermöglicht es auch jenen, die sich im Präsenzunterricht aus verschiedensten Gründen zurückziehen, sich stärker zu entfalten. Viele der Lernenden gehen aber verloren, schalten sich – Ton ab, Bildschirm dunkel - einfach weg. Und gerade bei den Schüler*innen hat sich gezeigt, dass aufgrund fehlender Geräte, aber auch fehlender Unterstützung von zuhause die soziale Differenzierung verstärkt wird.
Überhaupt geht der reale soziale Raum verloren, leidet die Kommunikation – und das nicht nur deshalb, weil die Übertragungen auf digitalen Lernplattformen verzögert stattfinden und die Tonqualität nicht selten zu wünschen übrig lässt. Wer unterrichtet weiß, wie wichtig der soziale Raum ist, in dem man als Lehrender bzw. Lehrende agiert. Mimik und Gestik, bestimmte Blicke sind außerordentlich wichtig, um adäquat – ganz im Sinne des didaktischen Prinzips der Prozessorientierung – reagieren zu können.
Die Lockdowns bescheren den meisten von uns neue Erfahrungen, wobei die Herausforderungen des „Distance Learning“ nur eine davon ist. Konferenzen werden abgesagt oder digital organisiert, Vorträge und Prüfungen über Videochats abgehalten. Und schließlich ist auch die soziale Isolation zu erwähnen, der wir ausgesetzt sind. Ein „neues“ Biedermeier haben wir freilich nicht, weil der außerfamiliäre Kontakt nicht ins Private verlegt wird bzw. angesichts der Pandemie sinnvollerweise nicht verlegt werden soll. Schlimmer noch als biedermeierlicher Rückzug ist die Vereinsamung, der wohl manche Menschen ausgesetzt sind, oder auch die Unmöglichkeit, neue soziale Kontakte zu knüpfen: keine Konzerte, kein Theater, kein reales Treffen an der Universität, keine Partys, kein Kennenlernen interessanter Menschen, keine neuen Freundschaften.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Hier soll nicht das digitale Lernen per se verworfen und kritisiert werden. Der Zwang dazu ist aber problematisch, unabhängig davon, dass digitales Lernen in Kombination mit der Präsenzlehre wohl die Zukunft darstellen. Genau dieser Zukunft widmet sich auch die Fachdidaktik Geschichte an der Universität Wien. Unter anderem mit dem von Alexander Preisinger gegründeten GameLab (https://gamelab.univie.ac.at/) und mit der von Roland Bernhard ins Leben gerufen Digiteach Academy (https://www.youtube.com/channel/UCbf2W2JSGlXy4UHEIHQlIlw/videos?view=0&sort=da&flow=grid)
versucht sie den Anforderungen des digitalen Zeitalters zu entsprechen. Die Forscher*innengruppe „Subjektorien- tierte Didaktik“ (https://subjektorientierte-didaktik.univie.ac.at/aktivitaeten/bisherige-aktivitaeten/), die sich politische Ermächtigung als zentrales Ziel gesetzt hat und fächer- bzw. fakultätsübergreifend arbeitet, beschäftigt sich unter anderem mit digitalem Lernen. Die digitale Welt kann in der Didaktik nicht ausgeblendet, sondern sie muss vielmehr sinnvoll integriert werden.
Subjektorientierung bleibt, wie das Engagement der Fachdidaktik Geschichte und Politische Bildung in der erwähnten Forscher*innengruppe zeigt, weiterhin ein zentrales Thema. Gemeinsam mit Christine Ottner-Diesenberger von der PH Wien haben Alexander Preisinger und Thomas Hellmuth gerade einen Sammelband fertiggestellt, der die Vorträge der 2018 in Wien abgehaltenen Jahrestagung der „Gesellschaft für Geschichtsdidaktik Österreich“ (GDÖ) zum Thema „Subjektorientierte Didaktik“ einem breiteren Publikum zugänglich machen soll. Der Band wird im ersten Quartal des Jahres 2021 erscheinen. Ebenso wird weiterhin versucht, den – freilich notwendigen, aber oftmals auch schwerfälligen und kontraproduktiven – „Elfenbeinturm“ zu verlassen und die Theorie mit der Praxis zu verbinden. In diesem Sinne hat etwa Alexander Preisinger gemeinsam mit Stephan Mai ein praxisorientiertes Buch zu „Digitalen Spielen und historischem Lernen“ publiziert (https://wochenschau-verlag.de/digitale-spiele-und-historisches-lernen-3347.html) Ferner ist die Synthese von fachlichen Inhalten und Fachdidaktik, unter anderem die Ausbildung künftiger Lehrender entlang der schulischen Lehrpläne, ein großes Anliegen. Dazu ist es auch notwendig, dass Fachdidaktiker*innen sich mit fachwissenschaftlicher Forschung beschäftigten. Thomas Hellmuth hat etwa in diesem Jahr eine Monographie mit dem Titel „Frankreich im 19. Jahrhundert. Eine Kulturgeschichte“ (https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/themen-entdecken/geschichte/sozial-und-kulturgeschichte/55549/frankreich-im-19-jahrhundert) publiziert. Fachwissenschaft und Fachdidaktik sind gleichsam zwei Seiten einer Medaille.
Schließlich sei noch auf personelle Veränderungen hingewiesen: Die Verträge von Isabella Schild, die ihre Dissertation zum konzeptuellen Lernen fertiggestellt hat, und Judith Breitfuß sind ausgelaufen. Beide unterrichten nun in Schulen, verbinden nun die Fachdidaktik mit der Praxis geradezu auf exemplarische Weise und sind weiterhin der Fachdidaktik verbunden. Isabella Schild, der wir herzlich zum Abschluss ihrer Dissertation gratulieren, verstärkt zudem die Geschichtsdidaktik an der Privaten Pädagogischen Hochschule in Linz. Die Stellen von Isabella Schild und Judith Breitfuß sind aber nicht unbesetzt geblieben: Den beiden sind Kristina Langeder-Höll, die sich mit Historisch-politischer Bildung auseinandersetzt, und Lorenz Prager, der über Computerspiele forscht, gefolgt.
Ein seltsames Jahr, das uns viel abverlangt, erleben wir gerade. Und dennoch lassen wir uns nicht abhalten, unsere Ziele konsequent zu verfolgen.
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